Von am 24. Januar 2008 in mp3 blog

George Pringle : Interview

George Pringle

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Jemand sagte: George Pringle wäre wie Allan Ginsberg – nur tanzbar. Am Februar kommt die erste EP heraus und im Interview mit itstoolong erklärt die Diseuse, wie es kommt, dass sie nachts am besten komponieren kann, was ihr an der augenblicklichen Musikszene Englands nicht passt und wie sie über den Film „Control“ denkt.

download: George Pringle / I’m very scared Buster, yes at last

itstoolong: Gleich zuerst die Frage, wie ich Dich ansprechen soll: George oder Georgina?

GP: George ist schon OK. Eigntlich ist mein richtiger Name Georgina, aber jeder nennt mich George.

itl: Die BBC sagt, Du seist „das nächste grosse Ding, das aus Oxford kommt“. NME schrieb über Dich, wie auch „The Guardian“. Was hat es mit diesem hype auf sich? Und wie kommt das bei Dir an?

GP: Es fühlt sich immer noch sehr eigenartig an, wenn man mich um Interviews bittet. Aber es bleibt überschaubar und natürlich ist es auch sehr schmeichelhaft, wenn wildfremde Menschen sich dafür interessieren, etwas über dich zu schreiben – ob gute oder schlechte Dinge: Immer noch besser, als ignoriert zu werden. Ich bin für jede Berichterstattung dankbar, bedeutet es doch, das ich weiter meine Dinge machen kann.

itl: Wie kommt es, dass es gerade Dich trifft?

GP: Das weiss ich nicht. Vielleicht wäre ein möglicher Grund, dass die Entwicklung in der Musik bis vor kurzem doch ziemlich stagnierte. Jetzt dagegen passieren mehr und mehr spannende Dinge, mehr Menschen machen gute Musik und vielleicht bin ich ja jemand von denen. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich bewusst mit der Musik angefangen habe, um diese Art von Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ist halt irgendwie passiert.

itl: Garageband (Sequenzerprogramm von Apple) ist Dein „Instrument“: Wie nutzt Du dieses Programm für Deine Kompositionen?

GP: Kommt drauf an. Manchmal habe ich schon etwas im Kopf, das ich dann für eine Komposition nutze. Dann wieder fummle ich einfach nur im Programm herum und schaue, ob etwas Nutzbares dabei rumkommt. Es gibt aber auch Momente, da finde ich einfach einen loop, der mir prompt zusagt. Es ist eben immer unterschiedlich. Aber für gewöhnlich schreibe ich nachts, denn das ist meine Zeit. Man fühlt sich von der Aussenwelt abgeschirmt, hat Abstand vom Alltäglichen und das passt genau zu meiner Art, Musik zu schreiben.

itl: Benutzt Du da dann samples oder programmierst Du eigene Klänge, Module oder loops in Garageband?

GP: Ich habe mir grad erst ein Keyboard gekauft. So kann ich dann meine eigenen loops schneiden, wenn ich erst einmal raus gekriegt habe, wie das geht. Normalerweise nutze ich die beats, die das Programm zur Verfügung stellt. Die sind schon perfekt. Obwohl, wenn man die dann alle auswendig kennt, dann hört man die fortwährend auch in den Stücken anderer Musiker. Also spiele ich ein wenig mit den loops herum, in dem ich Übersteuerungen einbaue oder andere Effekte zwischenschalte, damit sie einen eigenständigen Charakter bekommen.

itl: Kannst Du dich so einfach hinsetzen und komponieren? Wie entstehen deine Lieder und was inspiriert dich?

GP: Ja, das kann ich. Manchmal muss ich einfach alles fallen lassen, faulenzen. Keine Texte, keine Stücke. Einfach Filme gucken, rumhängen und irgendwas machen. Du musst halt alles speichern, was um dich herum passiert; Du musst dir das bewusst machen, über was Du schreiben willst. Das, glaube ich, brauchst jeder, der irgendwie Texte verfasst. Also mache ich es so. An anderen Tagen schiesse ich mich ab, schlafe zu wenig, streite mich…ich lebe dann halt. Dieses Erhöhen der Dinge hilft, um den kreativen Prozess anzuheizen. Obwohl es natürlich kein guter Ratschlag wäre, dies im Übermass zu tun. Ich schreibe auch viel, ohne das Geschriebene gleich zu kontrollieren, zu bewerten oder zu korrigieren. Das läuft ganz gut.

itl: Eine Frage zu den Texten: Welcher Schrifsteller oder Dichter beinflusst Dich? Gibt es da jemanden, den wir unbedingt auch lesen sollten?

GP: Ich schreibe meine eigenen Texte, bin aber durch andere Autoren und Dichter beinflusst. Doch nicht nur Musiker oder Schriftsteller inspirieren mich. Aber als Einfluss würde ich Truman Capote, Emily Dickinson, Ogden Nash, Bret Easton Ellis, Jeofforey Eugenides und Charles Dickens nennen.

itl: Du bist Solokünstlerin – warst Du schon mal in einer Band?

GP: Klar! In einer diesen typischen Punkbands auf der Schule. Wir waren zwar miserabel aber hatten auch Spass dabei. Ich stand mit der Gitarre vorne und habe gesungen. Mein Gitarrenspiel war grauenhaft, aber das machte mehr Spass, als gut spielen zu können…

itl: Bist Du im Vergleich lieber Soloartist, oder wärst Du doch lieber Teil eines gemeinschaftlichen Projekts?

GP: Ich habe einige Projekte mit anderen Musikern hinter mir. Aber, ehrlich gesagt, fühle ich mich als Solokünstlerin – auch was das Schreiben betrifft – wohler. Ich muss halt alles kontrollieren können.

itl: Könntest Du dir vorstellen, dass irgendjemand Deine Songs remixt?

GP: Aber ja! Ich wünschte, jemand Talentiertes würde kommen, um meine Lieder zu remixen. Dann würde ich auch aufhören, alles kontrollieren zu wollen. Es ist schon beeindruckend, wenn ein Anderer deinen Songs ein neues Leben einhaucht. Das ist eine echte Wissenschaft für sich. Ich würde auch gern einmal andere Stücke, oder meine eigenen, remixen…

itl: Wie sieht „die perfekte Show“ für Dich aus? Sollen die Leute lieber tanzen, oder still den Texten lauschen? Vielleicht aber auch beides?

GP: Wow! Die „perfekte Show“ in meinen Augen wäre, wenn das Publikum einige Texte kennen würden, laut klatschen würde, trinken, lachen und auch ein bisschen traurig sein könnte. Wenn man in einer kurzen Zeit alle diese Gefühle – innerlich, wie auch äusserlich – durchlebt und artikulieren könnte, wäre es die ideale Show. Die Leute sollten aber auch still bleiben können, um meine Worte verstehen zu können. Manchmal ist das Gebrüll halt so laut, dass ich selbst nicht mehr gehört werde. Ein bisschen tanzen wäre auch OK.

itl: Was denkst Du über Deine Auftritte – gibt es Platz für Improvisationen, wenn doch alles in Garageband aufgenommen werden kann und einfach 1:1 auf der Bühne abgespielt wird?

GP: Ich glaube, mir würden Improvisiationen sehr gefallen, doch habe ich so viele Worte im Kopf, die ich transportieren möchte, dass das jammen nicht unbedingt höchste Priorität für mich hat. Ich würde die Livemusik eher mit Projektionen, Licht und Stimmung anreichern. Nicht so sehr mit Instrumenten. Ausser natürlich einer Geige. Das würde passen. Oder auch ein Streichquartett für Lieder wie „Carte Postale“ und „SW10“.

itl: Beobachtest Du die englische Musikszene?

GP: Manchmal. Ich kenne wenig gute Musik und stehe nicht so sehr auf die englische Musik. Die Foals [MP3]: Foals / Balloons gefallen mir, aber sie sind für mich bei weitem nicht so innovativ und „revolutionär“, wie manche gerne behaupten. Sie sind gut, klar. Aber normalerweise bin ich häufig im Netz unterwegs, um kleine, unbekannte Gruppen zu entdecken. „Errors and Friendly Fires“ gefallen mir auch, Patrick Wolf noch immer. Ich habe so einen richtig guten Typen gehört, der sich „Watching Arthouse Films With My Daughter and he’s really fun“ nennt. Der schreibt auch. Doch viel zu oft bin ich bitter enttäuscht von der „neuen Musik“ aus England. Aber wir haben ja noch gute DJs.

itl: Gibt es jemanden aus Deiner Heimatstadt Oxford, den wir unbedingt kennen sollten und den Du uns empfehlen würdest?

GP: Hmm, ich denke „Foals“ sind geläufig – die kommen aus Oxford, wo ich zur Uni gegangen bin. Ich bin mir sicher, jeder hat von denen gehört. Oxfords Szene ist eigentlich erbärmlich. Die schotten sich zu sehr ab und wollen auch nicht nach draussen – nischenhaft und selbstzufrieden. „Jonquil“ sind aber eigentlich ganz OK.

itl: Eine Frage zum Schluss: Wie hat Dir „Control“ gefallen?

GP: Ach, Fotografen sollten keine Filme drehen – alles sieht so sauber, stylish aus und hat wenig Mitreissendes an sich. Es gab natürlich auch gute Momente, aber dann haben die weiblichen Darsteller, die alle sehr ein-dimensional ausgelegt waren, doch enttäuscht. Am meisten bin ich vom Hauptdarsteller enttäuscht. Der ist nicht kalt genug gewesen, um Ian Curtis wahrhaft darstellen zu können. Der hatte viel zu grosse Augen und sah so süss aus. In meinen Augen stelle ich mir Ian Curtis eher mit zusammen gekniffenden Augen vor; als jemand, der einen ziemlich durchtriebenen Charakter hatte. Aber das hat auch viel mit dem Mythos zu tun. Ich weiss, das der Filmemacher Joy Division kannte, aber ich fand Ian Curtis in „24 Hour Party People“ hundertmal besser!

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